Die Welt scheint still zu stehen
Die Welt scheint stillzustehen. Aber der Eindruck täuscht: In medizinischen Laboren, Krankenhäusern und Krisenstäben, aber auch in Geschäften, bei Lebensmittelzulieferern und Zustelldiensten wird fieberhaft gearbeitet, um die Situation in den Griff zu bekommen und die Versorgung sicher zustellen.
Menschen haben Angst um ihre älteren Angehörigen, um ihre eigene Gesundheit und viele um ihre materielle Existenz. Junge Familien kommen ans Ende ihrer Geduld, wenn sie im Hoimeoffice auch noch die Kinder bei Laune halten müssen.
Die Phantasie reicht nicht, um sich vorzustellen, was jede einzelne politisch verodnete und von der Vernunft gebotene Anordnung für einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich zieht.
Auch die Kirchengemeinden, die einerseits ihr „Alltagsgeschäft „einstellen mussten: keine Gottesdienst, Taufen, Trauungen, Senior*innen- und Konfirmand*innengruppen, um nur Einiges aufzuzählen, überlegen, wie sie den Menschen Mut zusprechen können, ihnen Hoffnung vermitteln und ein soziales Miteinander – auch auf Distanz – entwickeln können.
Auch wir mussten unsere Veranstaltungen, Netzwerke und Gemeindberatungen stoppen; Beratung findet am Telefon statt, Teamtreffen und Projektarbeit werden auf – ja auf wann? – verschoben.
Hier finden Sie einige Anregungen für Ihre Senior*innenarbeit in schwierigen Zeiten:
Liebe Pastorinnen und Pastoren, liebe haupt- und ehrenamtliche Kolleg*innen
Ich merke wie gut es tut, neben all den Maßnahmenkatalogen, Warnungen und Appellen an die Vernunft auch positive Nachrichten ins Homeoffice zu bekommen. Hier kann ich mich zwar nicht so schnell mit kollegialer Panik oder Schlimmerem anstecken, aber die Kreativität im Umgang mit der Situation leidet in der Isolation auch.
Vielleicht sitzen Sie auch allein in Ihren Amtszimmern und überlegen, nachdem die erste Regelungs- und Absagewelle abgeebbt ist, was Sie nun Konstruktives unternehmen können, so ohne Gottesdienste, Trauungen, Taufen, Konfirmand*innengruppen, Teamsitzungen und womit man sonst noch den Arbeitsalltag gestaltet, jenseits der einsamen Schreibtischarbeit. Und etwas tun kann gegen Einsamkeit und steigende Unruhe.
Wir von den Fachstellen ÄlterWerden und Leben im Alter sind mindestens doppelt betroffen: Zum einen gehört unsere Zielgruppe per se zur Risikogruppe und dazu zählen in der Regel auch fast alle Freiwilligen und zum anderen sollen soziale Kontakte wie etwa Senior*innenkreise und Besuche nicht mehr stattfinden. Besonders die Menschen in den Pflegeheimen sind davon besonders hart getroffen. Manch eine kann gar nicht mehr verstehen, warum die Tochter oder der Enkel nicht mehr zu Besuch kommen darf. Im schlimmsten Fall können sie sich nach 6 Wochen nicht mehr an ihre engsten Verwandten erinnern. Das ist eine sehr traurige Vorstellung.
Aber jetzt zu den versprochenen positiven Nachrichten:
Dies ist die große Stunde der Telefonketten.
In den meisten Gruppen existieren – lange bevor das Datenschutzgesetz angefangen hat, streng darüber zu wachen – Adressenlisten, i.d.R. auch mit Telefonnummern. Warum nicht eine Kette daraus machen A ruft B an, B dann C und so weiter. Alle, die mitmachen möchten verabreden, sich einmal am Tag anzurufen: Nur mal hören, wie’s geht oder auch mal erzählen können, was einem so alleine durch den Kopf geht, auch mal sagen können: „Mir geht ein Medikament aus“ oder ja auch das viel belachte Klopapier; es wird sich eine Lösung finden.
Es ist so wichtig, das Gefühl zu haben, dass jemand an mich denkt, dass man reden kann und auch selbst jemandem mit einem Anruf eine Freude machen.
Sie könnten dies gemeinsam mit den Gruppenleitungen in die Welt bringen.
Eine ähnliche Idee ist, in den örtlichen Pflegeheimen nachzufragen, ob es Bewohner*innen mit Telefon gibt, die sich über regelmäßige Anrufe freuen würden. Wenn diese ihre Telefonnummer von sich aus herausgeben, dürfte es mit dem Datenschutz kein Problem sein und Sie können Gruppenmitglieder ermuntern, sich an der OhrzuOhraktion zu beteiligen. Das wäre einmal eine Kennenlernaktion der besonderen Art.
Singen hilft!
Vielleicht können die gemeindlichen Chorleitungen ein Singalong organisieren. Man singt gemeinsam bekannte Lieder: „Die Gedanken sind frei“ bietet sich z.B. gerade zu an oder „Im Märzen der Bauer“ o.ä. Und zwar vor dem Pflegeheim.
Die Chorleitung steht draußen im Hof oder im Garten und die Bewohner*innen singen vom Balkon oder aus dem Fenster heraus mit (Liederzettel sind schnell kopiert und verteilt). Die, die nicht mehr singen können, bekommen durch das geöffnete Fenster bestimmt etwas vom Gesang mit. Und warum sollte von dort aus nicht ein/e Pfleger/in kräftig mitsingen. Das Ganze mit dem Handy aufgenommen und ins Netz gestellt oder auf einer der zahlreichen Nachbarschaftsplattformen wie nebenan.de geteilt, können Sie andere animieren, sich auch nicht entmutigen zu lassen und näher zusammenzurücken.
Auf der o.a. Plattforen kann man auch Zettel herunterladen, um sie in Hauseingänge zu hängen und Nachbarschaftshilfe wie Besorgungen, mit dem Hund Gassi gehen u.ä. anzubieten.
Und schon während ich dies schreibe, kommt die positive Energie zurück.
Wir können alle aktiv werden, sowohl gegen die schnelle Verbreitung des Virus als auch für ein positives Miteinander. Und erzählen Sie einander von Ihren Ideen und deren Verwirklichung. Auch das ist ansteckend!
„Nah ist und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ Friedrich Hölderlin
Bleiben Sie zuversichtlich, behütet und gesund
Herzliche Grüße von allen Kolleginnen der Fachstelle ÄlterWerden
18. März 2020, Ute Zeißler